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Motivator oder Manipulator? Gamification ist ein Kind der Kreativbranche, das in den letzten Jahren die Nische der Gamer verlassen und in anderen Branchen Fuß gefasst hat. Wir alle haben mehr oder weniger regelmäßig mit Gamification zu tun. Aber was ist Gamification genau?

Das Prinzip hinter Gamification

Die Methode Gamification setzt auf den Spieltrieb, der zu Handlungen antreibt. Dinge werden nicht mehr getan, weil man muss, sondern weil Lust gemacht wird und man dabei Spaß hat.
Dazu bedient sich die Methode der Prinzipien, nach denen Computerspiele funktionieren: Es gibt ein Ziel, der Ablauf der Prozessschritte birgt Unterhaltungswert, der Fortschritt des „Spielenden“ ist laufend sichtbar und es gibt Scores als Belohnung auf dem Weg. Vor allem: Das (digitale) Setting ist visuell so aufbereitet, dass es stimuliert, motiviert und intuitiv leitet.

Gamification triggert den Spieltrieb des Menschen und sport ihn so zur Handlung an.
Foto von Ron Fung auf Unsplash.

Wo wird Gamification eingesetzt?

Im Grunde wird Gamification überall da angewendet, wo man Menschen intrinsisch zu einer Handlung bewegen möchte. Das kann im Personalbereich sein, wo Mitarbeitende zur Weiterbildung motiviert werden sollen oder im Marketing, um die Kunden zu mehr Interaktion zu bringen. Gamification kann zur Selbstoptimierung oder Weiterentwicklung, Zielgruppenbindung oder Konsumsteigerung und zu vielen weiteren Zwecken genutzt werden.

3 Gamification-Beispiele aus dem Alltag

AOK-App „Lebe Balance“

Über die App bietet die AOK Gesundheitskasse Kurse an, die bislang offline stattgefunden haben. Die Herausforderung dabei ist: Wie hält man die Leute bei der Stange, wenn sie nur alleine vor sich hintrainieren?
An diesem Punkt setzt das Gamification-Prinzip an. In die App sind Spiel-Elemente wie Tracks und Scores eingesetzt, welche die Leute motivieren und bei der Stange halten. Grafisch ist die App so gestaltet, dass die (Online-)Umgebung die Motivation stützt und man sich gerne dort aufhält.

Audi Virtual Training für Verkäufer

Audi hat sein virtuelles Verkaufstraining als Videospiel aufgebaut, in dem die Teilnehmenden per Avatar in einer virtuellen Welt reale Gespräche und Situationen durchlaufen. Die Plattform ist fotorealistisch aufgebaut, sodass das Spiel einer realen Live-Situation im Autohaus ziemlich nahekommt.

Die Teilnehmenden bekommen Entscheidungsoptionen, welche den weiteren Spielverlauf prägen und können so Handlungen und Konsequenzen testen. Wie ein richtiges Computer-Spiel hat das Virtual Training steigernde Levels von Einsteigern bis zum Fortgeschrittenen.

Alle, die schon mal gespielt haben, wissen, wie süchtig man danach wird, auf den nächsthöheren Level zu kommen.

Starbucks „My Rewards“ Programm

Starbucks hat ein digitales Universum aufgebaut, in der von Vor-Bestellung und Bezahlung über individuelle Getränke-Konfiguration bis hin zur eigenen Spotify-Playlist alles geboten ist.

Im Mittelpunkt steht ein Rewards-Programm, mit welchem Nutzende „Stars“ sammeln können. Diese bekommen sie allerdings nicht nur beim Einkauf, sondern jedes Mal, wenn sie mit der App interagieren. Die App kombiniert hier die Prinzipien des klassischen Treuepunkte-Sammelns mit denen von Corporate Fan-Clubs. Mithilfe von Gamification entsteht daraus eine digitale Starbucks-Welt, in welcher die Jagd nach Bonus-Punkten, Incentives und Freebies stimuliert wird und dabei reichlich Nutzer-Daten für personalisierte Angebote gesammelt werden.

Randnote zur Wirksamkeit:
Starbucks hat weltweit über 37.000 stationäre Filialen. Aber schon 2019 – vor der großen Digitalisierungswelle von Covid – generierte der Konzern 40 Prozent seines Umsatzes über die App, mit 16 Millionen aktiven Rewards-Usern. 2023 liegt die Zahl der User bei 31.4 Millionen.

Fazit

Die Grenze zwischen Motivation und Manipulation ist schmal, das ist bei Gamification nicht anders. Der Deutschlandfunk hat hierzu bereits 2015 eine Analyse veröffentlicht. Diese ist auch deshalb lesenswert, weil sie einen Vergleich der ursprünglichen Befürchtungen mit den heutigen Entwicklungen ermöglicht.

Doch die in diesem Blog-Beitrag genannten Beispiele zeigen, dass Gamification gerade da, wo ohne Druck und Zwang Fortschritte erzielt werden wollen, eine wirkungsvolle Methode ist.

Das führt zur Frage, wo Gamification für konstruktive Zwecke oder das Gemeinwohl genutzt werden könnte.

Über sogenannte Serious Games wird Gamification mittlerweile im Schulbereich, in der Therapie und anderen Feldern eingesetzt.

Wenn die Methode in all den bisherigen Bereichen funktioniert – wäre sie auch denkbar bei …

  • Anleitung zu einem klimafreundlicheren und nachhaltigeren Lebensstil
  • Bürger- und Jugendbeteiligung
  • Fundraising
  • Ehrenamtsmanagement
  • Nachbarschaftshilfe
  • … ?

Gamification kann für all die Bereiche eine Lösung sein, die darauf angewiesen sind, dass Menschen intrinsische Motivation entwickeln und dafür ein Gefühl der Belohnung empfinden. Denn Gamification kann helfen, dass Menschen aus der Hüfte kommen.

Zur Reihe "Methoden der Kreativwirtschaft"

Kreativwirtschaft wirkt in alle Lebens- und Wirtschaftsbereiche. Das BMWi bezeichnet ihre Arbeit als "innovativ und Vorreiter im Einsatz neuartiger Methoden und Formen der Arbeitsgestaltung". Unter dem Titel "Methoden der Kreativwirtschaft" werden künftig auf diesem Blog in regelmäßigen Abständen Arbeitsmethoden und Tools aus der Kreativwirtschaft vorgestellt.

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